Aus meinem Buch "Momente"
Musik-Intro von der CD "Ich und Du":
Spät war es geworden und still in der Wohnung. Eine Mischung aus Müdigkeit mit einer Spur von Unzufriedenheit erfüllte den jungen Mann. Als seine Frau zu Bett gegangen war wollte er noch nicht mit, war es ihm noch zu früh gewesen. Nun waren fast zwei Stunden vergangen, in denen er dieses und jenes hätte machen wollen, tatsächlich aber hatte er nur kurz den Fernseher aufgedreht und dabei war es dann geblieben. Er hatte von Kanal zu Kanal gewechselt, von einer Show, in der sich Kandidaten unbekümmert bloß stellten, nur um einen kleinen Geldbetrag zu gewinnen, über eine Reportage über die geglückte Renovierung einer Wohnung zu einer Dauerwerbesendung. Kurz, er hatte Dinge gesehen, die ihn gar nicht interessierten, nun war es spät und er war müde. Mit dieser Unruhe sollte er nun zu Bett gehen.
Als er das Schlafzimmer betrat, fiel sein Blick auf seine schlafende Frau. Nina lag auf der Seite, das Gesicht ihm zugewandt, aber zugedeckt bis zur Nasenspitze. Ein Bild des Friedens. Dieses Bild ließ ihn seine Unruhe schlagartig vergessen. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und zog ihr zärtlich die Decke aus dem Gesicht, nur so weit, dass sie Nase und Mund freigab. Ein magisches Lächeln umspielte ihren Mund, ähnlich dem der Mona Lisa. Es war ein Gemisch aus Leichtigkeit, Glück und einem geheimen Wissen. Aber Wissen um was? Er ahnte es und lächelte auch. Sanft berührte er ihr Haar und ließ seine Fingerkuppen zärtlich darin wandern. Erfüllt von tiefer Liebe war ihm, als hörte er eine einfache Melodie. Und zu dieser Melodie flüsterte er tonlos die Worte:
So friedlich schläfst Du ein
Doch du bist nicht allein
Natürlich war sie nicht allein, er war ja bei ihr. Da war aber noch jemand, noch viel näher als er selbst es jemals war und würde sein können.Du lachst mit Augen zu Mutter, Mutter Du! Seit fast einem Jahr waren sie verheiratet und er erinnerte sich noch gerne und genau, als Nina vor knapp fünf Monaten vom Frauenarzt nach Hause gekommen war: Noch vor dem ersten Wort war sie ihm um den Hals gefallen, hatte ihn mit Küssen überhäuft und dann hatte sie es ihm gesagt. Seither hatte sich ihr Leben deutlich verändert. Nicht nur, dass seine Frau keinen Alkohol mehr trinken wollte, sie las auch andere Dinge: Im Wohnzimmer lagen Kataloge mit Kinderwagen, Spielzeug und unbedingt notwendiger Einrichtung und selbst auf ihrem Nachtkästchen lag eine Zeitschrift für werdende Eltern. Auch ihn wollte sie ständig motivieren, all diese Hefte zu lesen, aber bis jetzt konnte er sich noch erfolgreich aus der Affäre ziehen, schließlich war ja erst gerade einmal Halbzeit. Er beendete die Kopfmassage seiner Fingerkuppen und legte seiner schlafenden Frau die ganze Handfläche auf den Kopf.
Noch ist es nicht so weit
Noch bleibt uns etwas Zeit
Mach ruhig die Augen zu
Mutter, Mutter Du
Ihr erstes Kind also. Sie hatten keine Ahnung und würden es auch nicht wissen wollen, ob männlich oder weiblich. „Ist ja auch egal“, hatte er immer gescherzt, „Hauptsache: Ein gesunder Bub“. In Wahrheit aber freute er sich auf ein Mädchen ebenso wie auf einen Sohn, nur dass das Kind gesund das Licht dieser Welt erblicken möge, hofften die beiden schon sehr inständig. Mit ihrem unbeschwerten Leben würde es aber in jedem Fall bald vorbei sein, das Kind ihre ganze Aufmerksamkeit brauchen und sie wollten ihm vorbildliche Eltern sein, es stützen wie einen jungen Baum, ihm Richtung geben aber auch die Freiheit zur eigenen Entwicklung. Ob es auch so gelang würden sie demnächst erleben können.
Bald ist es so weit
Das Baby erstmals schreit
Es lässt Dir keine Ruh
Mutter, Mutter Du.
So viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er mit seiner dunklen Hand ihre Haare und ihre helle Haut liebkoste. Von ihrer wie auch von seiner Familie war die Beziehung abgelehnt worden, auch im Freundeskreis hatte es kaum Zustimmung gegeben. Es sei eben schwierig, wenn man unterschiedliche Kulturen vermischen wolle. Eine erotische Verlockung war ja verständlich, aber ob das für eine dauerhafte Beziehung genügen würde? Mit jedem Tag ihrer jungen Ehe aber war ihre Liebe tiefer geworden und die gemeinsame, ehrliche Freude auf ihr erstes Kind war der vorläufige Höhepunkt ihres gemeinsamen Lebens. Mittlerweile wurden auch die Kritiker und Neider weniger oder zumindest stiller und auch ihre Eltern begannen sich auf das Kind zu freuen und sich damit abzufinden, dass sie demnächst, wenn auch selbst noch nicht sehr alt, Oma und Opa werden würden.
Von seiner Unruhe war längst nichts mehr zu spüren. Diese Gedanken, der Duft und vor allem dieses magische, stille und wissende Lächeln seiner schlafenden Frau erfüllten ihn mit tiefem Frieden. Er war sicher, dass sie im Schlaf mit dem Kind in ihrem Bauch sprach, es liebkoste und sich mit ihm vertraut machte. Ständig spukte diese Melodie durch seinen Kopf und ohne es zu merken, fiel er irgendwann in seine Sprache, die Sprache seiner Eltern und seiner Kindheit, die er im täglichen Leben nur mehr ganz selten sprach. Nun aber, in diesem Moment der Stille und der Vorfreude war sie für ihn so richtig wie schon lange nicht mehr:
Der Refrain von der CD "Ich und Du":
Donnerstag, 16. Mai um 19:00
ARTS-Lesung "Frühling" gemeinsam mit Elisabeth Schöffl-Pöll am Brandlhof
Radlbrunn bei Ziersdorf
Neues Buch
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(siehe Aktuell)
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